Quantcast
Channel: HTWK Leipzig Nachrichten
Viewing all articles
Browse latest Browse all 1132

09.07.15, Weltwirtschaft ist keine Olympiade!

$
0
0

Wissenschaftskonferenz thematisierte europäische Regulierung in vielen Facetten     

Zur 2. Leipziger Regulierungskonferenz versammelten sich im Juni diesen Jahres Juristen, Ökonomen und Politologen, um über Kontinuität und Wandel bei europäisierten Aufsichts- und Regulierungsstrukturen zu debattieren. Organisatoren der zweitägigen Konferenz waren Prof. Cornelia Manger-Nestler (HTWK Leipzig), Prof. Ludwig Gramlich (TU Chemnitz) und Jun.-Prof. Ulf Papenfuß (Universität Leipzig). 

Im ersten von zwei Themenblöcken nahmen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, Stakeholder und Behördenvertreter verschiedene aktuelle Fragen von „Regulierung“ unter dem Gesichtspunkt einer möglichen „Quadratur der Netze“(?!) unter die Lupe. Im Fokus standen vor allem die – politisch brisanten und daher medial häufig präsenten – Sektoren Energie, Telekommunikation und Finanzen. Strukturen und Aufsichtskonzepte wurden analysiert, innovative Ansätze im multidisziplinären Kontext beleuchtet. Die Referenten näherten sich den Themen dabei aus ihrer jeweils eigenen Sicht als Regulierer oder Regulierte bzw. wissenschaftliche Beobachter.

Es entzündeten sich rege Debatten zwischen den Referenten und den übrigen Konferenzteilnehmern zu aktuellen Kernproblemen jeweiliger Sektoren: So ging es beim Energiemarkt mit Blick auf die derzeitige geopolitische Lage in der Ukraine insbesondere um das Thema Versorgungssicherheit im Gasbereich. Bei den Telekommunikationsmärkten drehten  sich die Gespräche um die Regulierung digitaler Kommunikation, besonders im Hinblick auf die Emergenz nichtkonventioneller Marktteilnehmer. Auch Fragen des Breitbandausbaus sowie die damit verbundenen Chancen der Nutzung digitaler Dienste und Leistungen (Stichwort „Digitale Agenda“) standen auf dem Programm. Mit Blick auf die Finanzmärkte stand – man möchte sagen „selbstverständlich“ – die Problematik der nunmehr bei der Europäischen Zentralbank angesiedelten Bankenaufsicht im Spannungsfeld zu ihrer vorrangigen Aufgabe der Geldpolitik im Fokus.

Höhepunkt des ersten Konferenztages war der Festvortrag von Prof. Martin Hellwig. Der Direktor des Bonner Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern sprach zur Reform der Bankenregulierung nach der Finanzkrise und verdeutliche äußerst bildreich und kurzweilig den Sinn und Unsinn der aktuellen Finanzmarktregulierung. Zurückzuführen sei diese auf eine unzureichende Aufarbeitung der Krise, resultierend aus Versagen der Wissenschaft, aber auch der Medien und der Parlamente. Sinnvolle transnationale Regulierung bedürfe konzertierte Handlung aller Beteiligten, denn, so Hellwig, „die Weltwirtschaft ist keine Olympiade!“ 

Um sektorübergreifende Herausforderungen ging es am zweiten Tag. Dazu gehörten etwa die Rolle der Kommission als „regulationsrechtliche Drehscheibe“ in Europa, rechtsstaatlich-demokratische Aspekte der Regulierung sowie die Frage von Good Governance bei öffentlichen Unternehmen und die Frage der Nachhaltigkeit von Regulierung. Eine hitzige Debatte entstand nach dem Referat von Prof. Georg Götz (Universität Gießen) über die Regulierung der Netzindustrien. Götz verwies auf die Gefahr der Überregulierung und den damit verbundenen „Fluch der guten Tat“, wenn Regulierung nicht zu mehr Wettbewerb, sondern zu einer Aufrechterhaltung der durch die Regulatoren erst geschaffenen Geschäftsmodelle führe. Dem wurde jedoch von Dr. Annegret Groebel (Bundesnetzagentur) entschieden widersprochen.

Ziel der Tagung war vor allem, die Debatte um Perspektiven „guter“ europäisierter Aufsichts- und Regulierungsstrukturen erneut zu beleben. Dabei betonte Cornelia Manger-Nestler das besondere Konzept der Leipziger Regulierungskonferenz, verschiedene Sektoren sowie unterschiedliche Fächerperspektiven (Recht, Wirtschaft) hier vereint zu betrachten, „ohne die jeweiligen Spezifika im interdisziplinären Diskurs zu verwischen oder gar aufzuheben. Gleichzeitig wurde jedoch deutlich, dass immer neue Herausforderungen stetigen Wandel bedeuten: „Es gibt kein One-size-fits-all-Konzept, das sich allen Regulierungsfeldern und -themen überstülpen lässt“, so Manger-Nestler. Die Debatte über den besten Ansatz müsse ständiger Gegenstand im Austausch zwischen Wissenschaft, Regulierern und Regulierten sein.

Die Ergebnisse der Konferenz werden in Form eines Tagungsbandes veröffentlicht, der in der Schriftenreihe des Arbeitskreises Europäische Integration im Nomos-Verlag erscheinen wird.

Die Konferenz fand mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission statt, weitere Partner waren der Arbeitskreis Europäische Integration (AEI) sowie die Deutsche Bundesbank und die Ontras Gastransport GmbH.

Cornelia Manger-Nestler/Robert Böttner


Viewing all articles
Browse latest Browse all 1132

Trending Articles