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06.07.15, Architektur für Entscheider mit Gestaltungswillen

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Auszüge aus dem Interview:
(Den gesamten Text finden Sie hier)

Architektur: für Entscheider mit Gestaltungswillen

Wie kreativ ist das Architekturstudium?

Professor Menting: Architektur hat stets mit Gestaltung zu tun, ob es sich um ein einzelnes Haus handelt oder um ein Stadtquartier. Gestalten heißt entscheiden und das müssen Architekten in allen Projektphasen, etwa bei der Ortseinbindung oder der Auswahl des Materials. Das Architekturstudium gibt in alle Bereiche einen Einblick: in Planung und Konstruktion, Gestaltung und architektonische Entwurfspraxis. Ohne Kreativität und Gestaltungswillen ist das Studium überhaupt nicht zu denken.

Inwiefern unterscheidet es sich von Innenarchitektur und Bauingenieurwesen?

Professor Menting: Die Innenarchitektur ist Teil der Architektur. Deshalb lautet unsere Empfehlung, erst Architektur zu studieren und sich später zu spezialisieren. Deutlichere Unterschiede gibt es zum Bauingenieurwesen. Dort geht es um alle Fragen der Technik und des Tragwerks. Die kommen zwar auch in der Ausbildung der Architekten vor, jedoch weniger vertiefend. In der Praxis erfolgt die Berechnung der Tragwerke eines Gebäudes durch Bauingenieure. Ein Grundverständnis braucht der Architekt allerdings schon, weil seine Arbeit darin besteht, das große Ganze im Blick zu haben: die Vorgaben des Bauherrn, das gestalterische Konzept und auch den konstruktiv-technischen Bereich.

Was passiert in der künstlerisch-gestalterischen Eignungsprüfung und wie kann ich mich vorbereiten?

Professor Menting: Eine gute Übung für diese Prüfungen ist es, regelmäßig zu zeichnen und auch kleine Dinge zu gestalten wie Postkarten, Eintrittskarten, Buchcover. An der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig prüfen wir mit kleinen Aufgaben: Wie sind die gestalterischen und handzeichnerischen Fähigkeiten und die räumliche Auffassungsgabe? Wie sind die baukonstruktiven Grundkenntnisse? Eine Aufgabe könnte so aussehen, dass der Bewerber skizzieren soll, wie man ein Zelt oder ein Baumhaus bauen könnte. So kann das Verständnis von der Fügung der Dinge überprüft werden. Eine zeichnerische Routine hilft dabei sehr. Außerdem schadet es nicht, ein wenig über Architekturgeschichte und zeitgenössische Architektur zu wissen. Für den Masterstudiengang wird eine Mappe gefordert und es findet ein persönliches Gespräch zur Motivation statt.

Wie viel Mathematik und Physik braucht man im Architekturstudium?

Professor Menting: Ich erinnere mich, dass ich mir die Frage auch vor meinem Architekturstudium gestellt habe. Die Botschaft heißt: Der Umfang hält sich in Grenzen. Aber Interesse für mathematische und physikalische Fragen ist hilfreich. Ein Bereich der Mathematik wie die Darstellende Geometrie ist wesentlich für die räumlichen Darstellungen und Perspektiven. Mathematik und Physik sind allerdings nur als einzelne Aspekte des vielfältigen Studienfaches zu verstehen.

Meine Wunschhochschule erwartet ein Vorpraktikum. Wo sollte ich das am besten machen?

Professor Menting: An der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig sind zwei Praktika Pflicht. Vor der Immatrikulation zum Bachelorstudium erwarten wir ein Baustellenpraktikum. Dieses kann zum Beispiel bei einem Tischler, Maurer, Elektriker oder Zimmermann geleistet werden. Für das zweite Praktikum vor dem Beginn des Masterstudiums gehen die Studierenden in ein Architekturbüro oder in die Bauverwaltung.

Ich habe gehört, an der Universität lerne man gar nicht, wie man Häuser baut, sondern nur Theorie. Sollte ich vielleicht lieber an eine Fachhochschule gehen?

Professor Menting: Wir halten uns nicht für anwendungsorientierter als die Architekturausbildung an den Universitäten. Uns ist es wichtig, den Studierenden ein Verständnis für das konzeptionelle Entwerfen von Gebäuden zu vermitteln und so einen Einblick in die Komplexität der architektonischen und städtebaulichen Themen zu geben. Auf dieser Basis machen die Absolventen dann wichtige Erfahrungen in der Praxis. Einige Jahre Berufserfahrung sind auch die Voraussetzung für eine Eintragung in die Architektenliste und damit für eine anerkannte Berufsbezeichnung.

Wie sehen die praktischen Übungen im Studium aus?

Professor Menting: Die integrierten Entwurfsprojekte stehen im Zentrum der Ausbildung. Dabei lernen die Studierenden unter anderem auch Bereiche wie das Produktdesign und den Städtebau sowie die Denkmalpflege und die Projektentwicklung kennen. Die Übungen und Entwürfe werden anhand verschiedener Medien entwickelt. So ist neben dem CAD-Zeichnen gleichermaßen der Modellbau ein wichtiger Bestandteil der Entwurfsübung. In der fakultätseigenen Werkstatt gibt es analoge und digitale Werkzeuge zum Modellbau, also von Säge und Bohrer bis zum Lasercutter und 3-D-Drucker.Wir bearbeiten regelmäßig auch Sonderprojekte, deren Aufgabenstellungen oftmals aus Leipzig kommen. Ein Beispiel ist hier der Herbstsalon, den Studierende anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Friedlichen Revolution als temporäre Architektur 1:1 realisiert haben.

Können Architekten sich aussuchen, welche Art von Gebäuden sie bauen? Müssen sie sich dafür schon im Studium spezialisieren?

Professor Menting: Im Bachelor geht es um die allgemeine Orientierung und Vermittlung architektonischer Bedingungen. Im Master gibt es erste Wahlmöglichkeiten, aber die eigentliche Festlegung findet meist erst in der Praxis statt. Berufsanfänger beginnen oft mit Stadthäusern, Kitas oder Schulen, dort ist der Einstieg leichter als etwa beim Flughafenbau. Einige unserer Absolventen verfolgten auch ganz andere Wege und sind im Bühnenbild oder Produktdesign tätig. Ich empfehle Studierenden, ihren Neigungen zu folgen. Allein an der Auftragslage kann man sich nicht orientieren, denn die ändert sich im Bereich der Architektur schnell.

Wie sind die Berufsaussichten für Architekten?

Professor Menting: Derzeit ist das Angebot auf dem Arbeitsmarkt gut, anders als vor ein paar Jahren. Viele, die an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig studieren, schätzen die Atmosphäre und Lebensqualität in der Stadt sehr und wollen nach dem Studium hier bleiben. Zwar wird in Leipzig wieder mehr gebaut. Aber was den Ort betrifft, sollten Arbeitseinsteiger flexibel sein. Wenn sie das sind, dürften sie derzeit keine Probleme haben.


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